IoT und das Marketing der Zukunft: Kundenbindung und Kundenservice

Wenn Maschinen selbständig bestellen und Algorithmen Marken auswählen, was können Unternehmen bzw. das Marketing dann tun, um eine Beziehung zu den Kunden aufzubauen und zu festigen? Zum Beispiel Vertrauen schaffen und einen guten Kundenservice bieten.

Schauen wir uns die Besonderheiten des IoT in Bezug auf das Marketing und den Kunden einmal genauer an. Eine kurze Inhaltsangabe:

  1. Wer trifft die Kaufentscheidung?
  2. Marken und Gatekeeper
  3. Guter Kundenservice als Chance
  4. Kundendaten und Datenschutz
  5. Lock-in-Systeme vs. Vernetzung
  6. IoT und Machtverhältnisse

#1 Mensch oder Maschine: wer trifft im IOT die Kaufentscheidung? Und auf welcher Basis?

Bereits heute ist es auch für Endkunden möglich, die Kaufentscheidung zumindest teilweise einer Maschine zu überlassen. Alexa kann auf Zuruf bestellen – und geht dabei nicht unbedingt objektiv vor. Das tut auch ein Kunde nicht, dennoch ist die Interessenlage eine andere: Sucht man in den USA über Alexa nach bestimmten Produkten, ohne einen Markennamen zu nennen, werden als erstes die hauseigenen Amazon Produkte vorgeschlagen – zum Beispiel bei Batterien. Demonstriert hat das Marketing-Professor Scott Galloway. (Hierzulande packt Alexa hingegen einfach die zuletzt bestellten Batterien in den Einkaufswagen.)

Ähnlich sieht es beim Amazon Dash Replenishment Service (DRS) aus, mit dem sich Geräte wie eine Waschmaschine oder ein Drucker mit der Amazon-Plattform verknüpfen lassen, um dann eine automatische Nachbestellung von Waschpulver oder Druckerpatronen auszulösen, wenn das Produkt zur Neige geht. Auch hier greift kein Mensch mehr ein, um zwischen verschiedenen Waschpulvermarken zu wählen; die Entscheidung wird ihm abgenommen.

#2 Marken und Branding: IoT-Firmen als Gatekeeper

Was diese beiden Beispiele gemeinsam haben: Ein bestimmter Anbieter oder eine Software wird zum Gatekeeper – genau wie es Google seit Jahren als Suchmaschinenmarktführer in den meisten Märkten ist. Was bedeutet das für den Kaufprozesse in Zusammenhang mit IoT-Geräten? Vorlieben, Testberichte, Rezensionen oder Preise haben in diesem Fall keinen Einfluss darauf, was gekauft wird oder nicht, sondern ein vorab gesetzter Filter. Da bekommt der so genannte Funnel im Marketing eine ganz andere Bedeutung: Der Kunde muss nicht mehr über Touchpoints (oder künftig Touch Lines) hingeleitet werden, sondern er befördert sich per Knopfdruck oder durch einen Sprachassistenten direkt hinein. Einerseits ist das für den Nutzer schnell, unkompliziert und bequem (Schlagwort „Convenience“), andererseits befindet er sich permanent in einer Filterblase.

Was heißt das für Markenhersteller und das Marketing? Die Bedeutung bestimmter Markenprodukte – oder ganzer Marken – könnte durch derartige Bestellprozesse sinken, während andere Brands oder Eigenmarken profitieren. Und zwar die, die am Gatekeeper vorbeikommen – zum Beispiel durch Kooperationen. Schon jetzt nimmt die „Loyalität der Verbraucher […] gegenüber Produkten und Unternehmen dramatisch ab“, schreibt Heinrich Holland hier.

Auch für das B2B-Geschäft kann das eine Zäsur bedeuten: Über Jahre gewachsene und durch verschiede Maßnahmen gefestigte Geschäftsbeziehungen können in Zeiten von IoT den Kürzeren ziehen, wenn die Anbieterwahl automatisiert und ggf. nach von außen nicht nachvollziehbaren Kriterien erfolgt. Hat ein neuer Lieferant beispielsweise einen günstigeren Preis, kann er in einem Wimpernschlag einen treuen Partner ersetzen.

#3 Wo Risiken sind, sind auch Chancen: IOT und Kundenservice

Im Umkehrschluss heißt das aber auch, dass sich für Unternehmen durch das Internet of Things nicht nur Möglichkeiten für neue Geschäftsmodelle erschließen, sondern auch Chancen, sich mit Aktivitäten in Richtung Branding und vor allem Kundenbindung und Kundenservice positiv von der Konkurrenz abzuheben.

Nie zuvor hatten Firmen dank Cloud-Anwendungen, Big Data, Data Mining und Predictive Analytics mehr (Echtzeit-)Informationen über und für ihre Kunden, um das kundenzentrierte Marketing auf das nächste Level zu heben: Customized Content zur rechten Zeit am rechten Ort und unmittelbares Feedback. Glaubwürdigkeit und Vertrauen spielen in diesen datengetriebenen Zeiten aber auch eine große Rolle. Fühlt sich der Kunde zu sehr beobachtet und ausspioniert, dürften die Nachteile überwiegen. Ebenso bedeutend: ein umfangreicher Service. Das musst nicht gleich ein fancy 24-Stunden-Chatbot sein, gerade ein menschlicher, echter Ansprechpartner, der gut berät, kann hier den Unterschied ausmachen. Oder Dinge wie:

  • 1:1-Kundenservice via Remote-Verbindung,
  • verständliche, rezipierbare Hilfestellungen für komplizierte Produkte oder Software (keine Textwüsten),
  • AR-Apps – wie sie bereits im Automobilbereich erfolgreich eingesetzt werden, um die gedruckten Betriebsanleitungen zu ergänzen.

#4 Kundendaten und Datenschutz

Über das Thema Kundendaten und Datenschutz kann man in diesem Zusammenhang eine Menge schreiben; zum Beispiel, dass es absolut unverständlich ist, wie viele Unternehmen mit ihren kilometerlangen Datenschutzbedingungen, die niemand liest und niemand versteht, aber jeder akzeptieren muss, durchgekommen sind und immer noch durchkommen. Möchte oder muss sich ein Unternehmen mit gutem Kundenservice absetzen, sollten daraus Passagen werden, die nicht nur Juristen verstehen. Ein Beispiel: Nach Cambride Analytica hat es Facebook dann doch geschafft, mit einem Alert proaktiv auf Bedingungen hinzuweisen und diese auch gleich mit den passenden Einstellungsoptionen zu verlinken. Das war längst überfällig.

Die EU-DSGVO sieht einen Zugang zu gespeicherten personenbezogenen Daten vor und erwähnt auch, dass die Informationen zur Verarbeitung „verständlich und in klarer und einfacher Sprache abgefasst“ sein sollen. Zudem besteht ein Recht auf Löschung („Vergessenwerden“). Als Kunde möchte man ja vor allem:

  1. Die Wahl haben, für Accounts oder Apps bestimmte Einstellungen zu ändern oder die Datenaufzeichnung abzustellen.
  2. Keine vorgesetzte Grundeinstellung, die nur den größtmöglichen Nutzen für den Anbieter im Sinn hat – und alles sammelt und weiter verteilt. (Aus der Perspektive der Unternehmen betrachtet ist das nachvollziehbar, sollte für den Kunden aber zumindest transparent gemacht werden.)
  3. Jederzeit unkompliziert den eigenen Account löschen können – und zwar ohne umständlich eine E-Mail-Adresse heraussuchen und den Support persönlich anschreiben zu müssen. Warum gibt es das noch? Auch ein Zeitungsabo kann ich transparent kündigen, warum keinen Account schließen?

Digitale Schubladen

Genau wie für den Kunden sollte auch für das Marketing und den einzelnen Marketer gelten, dass trotz oder gerade wegen der Automatisierung der Mensch gefragt ist, um mitzudenken. Schon in den 60er Jahren merkte der US-amerikanische Ökonom Peter Drucker an, dass der Computer keine Entscheidungen fällt, sondern nur Befehle ausführt: „Er zwingt uns dazu, zu denken, die Kriterien zu setzen.“ So sollte bedacht werden, dass durch Profiling und vergangenes Verhalten Daten missinterpretiert und Kunden falsche Muster zugeordnet und sie in falsche Schubladen gesteckt werden. Im harmlosesten Fall sind uninteressante Werbeanzeigen oder irrelevante Produktvorschläge die Folge, aber auch das Verschließen bestimmter Inhalte wäre möglich – QualityLand lässt grüßen. Die Frage ist, wie sich das umsetzen lässt.

#5 Lock-in-Systeme vs. Vernetzung

Interessant wird sein, wie sich die Lock-in-Effekte entwickeln, schließlich hängt der Nutzwert von IoT-Geräten von ihrem Vernetzungsgrad ab. Mit On-Demand-Diensten und Pay-per-Use-Modellen sind flexibel kündbare Services à la Netflix zumindest im Content-Bereich schon lange auf dem Vormarsch. Auch im Maschinenbau ist das denkbar. Andererseits ist der IoT-Bereich noch weit entfernt von Interoperabilität und Standardisierung. Hat der Kunde seinen persönlichen Assistenten oder ein anderes Gerät von Hersteller A oder B mühsam auf seine Bedürfnisse eingerichtet und mit der Zeit angelernt, so sind diese Daten bei einem Anbieterwechsel für ihn nicht mehr nutzbar – die Arbeit beginnt von vorn.

#6 Machtverhältnisse

Ebenso spannend ist die Frage, was mit den Machtverhältnissen passiert. Können Anbieter den Kunden weiterhin ihre Bedingungen diktieren und trotzdem Erfolg haben oder findet eine Verschiebung in Richtung der Verbraucher statt?

Bild: https://www.pexels.com/photo/working-macbook-computer-keyboard-34577/ 

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